Ist man erst mal Kunde, dann ist man zweite Klasse

Stabile und dauerhafte Kundenbeziehungen sind die Lebensversicherung eines Unternehmens. Doch paradoxerweise zieht sich die Vernachlässigung der Bestandskunden als „Zweite-Klasse-Kunden“ wie auch die parallel verlaufende Vernachlässigung ihrer Betreuer als „Zweite-Klasse-Verkaufsmitarbeiter“ wie ein roter Faden durch die Managementdenke der letzten Jahrzehnte.


Die Wechselbereitschaft der Kunden ist so hoch wie nie. Das neue Phänomen heißt: der flüchtende Kunde. Immer schneller dreht sich das Karussell aus Kunden akquirieren, Kunden loyalisieren, Kunden verlieren. Dabei sind es vor allem die Stammkunden, die über das Schicksal eines Anbieters entscheiden. Und sie könnten dessen Retter sein. Denn wer „seine“ Marke regelmäßig kauft, wer sich voll und ganz mit ihr identifiziert und sich ihr hochgradig verbunden fühlt, der ist immun gegen den Wettbewerb. Der wird sie vor Angreifern schützen - und seinen Freunden wärmstens empfehlen.

Dennoch stehen in vielen Organisationen nicht Hege und Pflege, sondern Eroberungen am höchsten im Kurs. Die Neukundenjäger sind die Helden vom Dienst. In manchen Branchen werden Bestandkunden so gut wie gar nicht betreut, weil es dafür keine Provisionen mehr gibt. Oder die besten Kunden bekommen die schlechtesten Konditionen. Sie hängen dreißig Minuten in der Warteschleife, während Noch-nicht-Kunden über eine eigene Hotline direkt drankommen.

Regelmäßig sieht man als Stammkunde fassungslos zu, wie Neukunden die ganzen Goodies erhalten. Teure Software-Lizenzen oder hohe Versicherungsprämien sind weiter zu zahlen, obwohl sie im Neugeschäft schon deutlich günstiger sind. Doch das ist von den Anbietern zu kurz gedacht. Denn wer treue Kunden will, muss Kundentreue belohnen. Warum das so ist? Menschen verstärken Verhalten, für das sie Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung erfahren.

Lockvogel-Angebote für neue Kunden

Denken wir nur auch an die Neukunden-Offerten der Banken. Oder an die Prämien beim Abschluss von Zeitschriften-Abos. Oder an die Einstiegstarife der Strom- und Mobilfunkanbieter. Neukunden, also die, mit denen man noch gar kein Geld verdient, werden preislich bevorzugt. Sie bekommen Schnupperpreise, fette Preisnachlässe, kostenlose Testangebote. So werden der Konkurrenz die Kunden abgekauft. Manager sehen dabei meistens nur das, was sie gewinnen, nicht aber das, was sie verlieren.

Denn solche Bäumchen-wechsel-dich-Spiele sind nicht nur teuer, sondern auch gefährlich. Während man nämlich vorn fleißig baggert, laufen einem hinten die eigenen Kunden weg. Die haben bemerkt: Treue zahlt sich nicht aus. „Was ist drin, wenn ich kündige, und wie hole ich am meisten dabei raus?“ Das ist heute eine gängige Frage an die Web-Community. Wir alle haben gelernt: Wird der Quengelfaktor erhöht, gibt es Gutes. Ergo: Die Anbieter selbst haben uns zur Untreue erzogen, zu Rosinenpickern und Schnäppchen-Nomaden gemacht.

Der Innendienst ist die B-Mannschaft

Zweiklassengesellschaft herrscht auch zwischen Innen- und Außendienst. Die Kundenjäger werden hofiert, bestens trainiert und fürstlich entlohnt. Interne Kundenbetreuer werden hingegen ins Backoffice, also ins Hinterzimmer verfrachtet. Oder wir finden sie eingepfercht in der Enge typischer Call Center wieder, wo Frustration und Mitarbeiterfluktuation hoch, Bezahlung und Anerkennung aber niedrig sind. Eingezwängt in ein Vorschriftenkorsett dürfen selbst hochengagierte Agents die Probleme eines Kunden nicht einmal dann individuell lösen, wenn sie es wollten. Vielmehr sollen sie ihn schnell wieder loswerden. Und genauso kommt das beim Kunden auch an.

Bestandskundenpfleger sind die B-Mannschaft, die zweite Wahl. Dementsprechend werden sie auch nur selten geschult. Ich habe mal für ein Industrieunternehmen fünf Tage Verkäufertraining gemacht. Am Ende jedes Tages hing man noch zwei Stunden Innendienst-Training dran. Immerhin! Doch es war das erste Mal, dass die Innendienstler überhaupt ein Service-Training bekamen. Fazit: Den Begriff Service-Kultur führen heute viele Unternehmen im Munde. Freilich durchschauen die Kunden rasch, dass sich in vielen Fällen dahinter nicht viel mehr als ein Schlagwort verbirgt.

Kundenloyalität wird im After-Sales-Service gemacht

Erzielte Verkaufsabschlüsse werden unternehmensseitig oft wie ein Endpunkt betrachtet, aus Sicht des Kunden aber sind sie ein Start: Der Beginn einer hoffentlich langen, wunderbaren Freundschaft, über die er oft und gerne spricht. Wenn das die Unternehmen nur endlich auch so sähen: Kundenloyalität und damit am Ende auch Neugeschäft wird vor allem im After-Sales-Service gemacht. Hierzu hat ein großer deutscher Premium-Automobilhersteller einmal folgende Zahlen ermittelt:

1 Zufrieden mit dem Verkauf 2 Zufrieden mit dem After Sales Service 3 Wiederkauf beim gleichen Händler
1 2 3
Ja Ja 93 %
Nein Ja 45 %
Ja Nein 14 %
Nein Nein 3 %

Eines ist jedenfalls sicher: Melkkühe und treudoofe Goldesel, die sich still und brav mit dem Zweitbesten begnügen, die sterben langsam aus. „Wir hoffen mal, dass sie es nicht merken“-Strategien funktionieren nicht mehr. Niemand lässt sich noch länger für blöd verkaufen. Wer als Anbieter nicht spurt, dem kehrt man den Rücken. Und im Web erzählt man der ganzen Welt, warum das so ist.

Selbst dort, wo die Kunden nicht durchschauen, wie sie über den Tisch gezogen werden, wird es bald düster. Denn die Mitarbeiter wissen das nur zu gut. Und irgendeiner wird es nach draußen tragen. Erarbeiten Sie also besser zusammen mit Ihren Leuten, wie sich an allen Touchpoints, den Interaktionspunkten zwischen Anbieter und Konsument, kundenfeindliche Praktiken aufdecken und abschaffen lassen. Dann kommt Loyalität und damit dauerhafter Erfolg ganz gewiss.


Weiterbildung im Marketing: Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager vom 28. bis 30. August 2015 in München

Über die Zukunft eines Unternehmens entscheidet, was an den Touchpoints in den „Momenten der Wahrheit“ zwischen Anbieter und Kunde tatsächlich passiert. Deshalb müssten sich alle Unternehmensbereiche auf das Kundenwohl fokussieren. Doch Silodenke, Abteilungsegoismen, persönliche Eigeninteressen und das Gerangel um die Vorherrschaft in punkto Macht und Budgets verhindern dies oft.

Deshalb brauchen Unternehmen nicht nur ein Customer Touchpoint Management, sondern auch einen Customer Touchpoint Manager. Seine Kernaufgabe ist es, eine hundertprozentige Kundenorientierung zu ermöglichen und abteilungsübergreifend ein durchgängig positives, begeisterndes, verlässliches und vertrauensvolles Markenerlebnis sicherzustellen.

Die dreitägige Ausbildung zum zertifizierten Customer Touchpoint Manager richtet sich vor allem an ambitionierte Mitarbeiter aus den Bereichen Marketing und Kundenservice, die im Kontext unserer neuen Businesswelt und mithilfe dieser Zusatzqualifikation die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Arbeitgeber sichern wollen.

Sie findet vom 28. bis 30. August 2015 in München statt. Zu weiteren Informationen und zur Anmeldung geht’s hier:

http://www.touchpoint-management.de/ausbildung-zum-customer-touchpoint-manager.html
Lo - 10. Feb, 18:37

Das Beschriebene ist in der Tat erlebte Realität und auch der Grund dafür, dass der Begriff "Stammkunde" bald seinen Platz im Lexikon der vergessenen Wörter finden wird.

Verkäufer, die den "Nachverkauf" und Kundenpflege nicht ausser acht lassen, wissen um diesen Mangel - sehen diesen als ihre Chance und werden Erfolg haben.

Viele Grüße!
Lo

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