Dienstag, 9. März 2010

Warum haben so viele Verkäufer keinen Spaß?

Einer Diskussion in der Xing-Gruppe "Akquisition/Kundengewinnung" entnommen.

Herr Klemens Rosenwald schreibt:
Ich habe diese Diskussion mit großem Interesse gelesen und mich dann entschieden, der Gruppe beizutreten und mich dazu zu äußern.

Zu meiner Person:

Ich habe runde 24 Jahre Erfahrung im Vertriebsaußendienst, Branche IT und Telekommunikation.

Zur Ausgangsfrage:

Viele Kollegen, die einige Jahre Erfahrung haben, sind oder werden zynisch, hart und bitter. Der Druck, der auf Vertriebler ausgeübt wird, ist an der Grenze des überhaupt Erträglichen. Vorgaben, Kundenbereiche, Vertriebsgebiete werden von Vorgesetzten nach Gutdünken verteilt, VB's die nicht "mitspielen" eiskalt abserviert. Verkaufszahlen (Vorgaben oder Ziele genannt) werden am grünen Tisch festgelegt, ohne Berücksichtigung der realen Welt "da draußen".

Ich habe für verschiedene Firmen gearbeitet, das System ist nahezu überall identisch. Produkte ohne Marktreife, unhaltbare Zusagen, Produktankündigungen die nie vom Zeitablauf her eingehalten werden (die Zitrone schluckt der Verkäufer beim Kundengespräch). All diese Verfahrensweisen führen zu einer hohen Frustration. Dann heißt es aus den Führungsebenen: Sie sind nicht motiviert, Sie müssen die Philosophie der Firma repräsentieren, Ihre Zielvorgaben sind, gemessen am Markt, lächerlich niedrig. Als nettes Beispiel hatte ich einmal eine Zielvorgabe die, zwecks Erfüllung, drei!!!! Aufträge pro Arbeitstag erfordert hätte, wohlgemerkt im Investitionsbereich. Jeder vernünftige Mensch kann über solche Dinge nur den Kopf schütteln. Dazu kommt noch, das nahezu alle Vertriebsmanager vom Verkaufen so gut wie keinen Schimmer haben. Solche Leute darf (muss) man dann noch zum Kunden mitnehmen und daneben sitzen während diese "Experten" mühselig aufgebaute Projekte in einer halben Stunde "killen", aufgrund höchster Kompetenz.

Eine wichtige Anmerkung: Dies alles ist meine persönliche Meinung und Erfahrung.

Ich habe in letzter Konsequenz mein Arbeitsumfeld geändert und mich selbstständig gemacht. Heute stelle ich mein eigenes Produkt her und verkaufe es mit großer Freude und Begeisterung, da mir keiner mehr erzählt, was und wie ich zu arbeiten habe und ich für alles, was passiert, selber verantwortlich bin.

Dazu schreibe ich als Antwort:
Ihren Kommentar finde ich einfach großartig!

Genau daran, dass Vertriebsmanager nicht auf die grundlegenden Rahmenbedingungen des Marktes eingehen, liegt so viel Frust im Vertrieb. Nämlich:

- dass bei komplexen Dienstleistungs- oder Investitionprojekten sehr lange Entscheidungszyklen entstehen (oft über ein Jahr),
- dass Entscheidungen nicht von einzelnen Personen, sondern von Gremien oder gar von Konzernabteilungen außer Landes gefällt werden,
- dass die Wahrscheinlichkeit von Abschlüssen im Vertriebskanal generell zu optimistisch und mit zu kurzen Durchlaufzeiten bewertet werden, sodass die Umsatzziele von unrealistischen Abschlusswerten bestimmt werden,
- dass die eigenen Stärken und Schwächen (sowohl der Leistungsfähigkeit der eigenen Organisation als der eigenen Services und Produkte) überhaupt nicht in die Überlegungen einfließen und daher oft die tatsächlichen Abschlusschancen völlig an der Realität vorbei eingeschätzt werden.

Dennoch kann Vertrieb eine sehr freudvolle und sinnvolle Aufgabe sein, wenn wir bedenken:

Nur der Verkauf schafft letztendlich Aufträge und sichert damit das Fortkommen des Unternehmens, sichert die Existenz vieler Menschen und schafft ggf. neue Arbeitsplätze.
Der achtsame und respektvolle Umgang mit Menschen und die Erfüllung von Bedürfnissen von Menschen, wenn es ehrlich angegangen wird, ist sehr erfüllend.
Die gemeinsame Ideenfindung mit dem Kunden, die Ausarbeitung einer dem Kunden entsprechenden Lösung und die darauffolgende Umsetzung dieser Lösung zählt zu den schönsten Erlebnissen eines Verkäufers. Wer kann heute noch von sich behaupten, etwas vollständig "erzeugt" zu haben. Ein Auftragsabschlus ist so ein "Werk"!
Die Überzeugung, jemanden etwas Sinnvolles anzubieten, ihn zu unterstützen und zu seinem Erfolg zu verhelfen, möchte ich auch noch erwähnen.

Daher Lust statt Frust am Verkaufen!
Liebe Grüße
Reinhard Paul

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