Der perfekte Vertriebsmitarbeiter: Hunter, Farmer oder beides?

Von Michael Hopke, Miller Heiman GmbH

Wenn es darum geht, Verkäufer einzustellen, führt die Diskussion meist recht schnell dahin, ob es mehr
ein Hunter-Typ oder ein Farmer sein soll. Während Letztere meist mit der Betreuung der Bestandskunden
betraut werden, sollen Erstere jung, wild und hungrig auf die Jagd nach neuen Kunden und neuen Märkten gehen. Alleine schon die Bezeichnungen scheinen darauf hinzudeuten, dass es ganz unterschiedliche Typen von Verkäufern gibt. Und dass Verkaufen in die Gegenpole Neukundenakquise und Bestandskundenbetreuung aufgeteilt werden kann. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Aufteilung ein Erfolgsrezept für den Aufbau einer schlagkräftigen Verkaufsorganisation sein kann. Warum möchte ich Ihnen im Folgenden erläutern.
Ein Motiv, das Vertriebsleiter nach Jägern für Ihren Vertrieb suchen lässt, ist oftmals, dass der Verkaufstrichter austrocknet und nicht genügend neue Verkaufsgelegenheiten generiert werden. Manchmal dauert es auch zu lange, bis neue Produkte erfolgreich platziert und von den Kunden
angenommen werden. "Wenn meine Verkäufer doch mehr raus zum Kunden gehen würden" ist dann ein oft gehörter Stoßseufzer (und führt zu entsprechenden Zielvorgaben). Die Führungskräfte haben den Eindruck, dass die vorhandenen Verkäufer zu sehr in Ihrer Komfortzone verharren und nur die
bewährten Produkte an die wohlbekannten Kunden verkaufen. Vielleicht sind Kunden und Verkäufer gemeinsam alt geworden und es hat über Jahre keinen Wechsel in der Betreuung gegeben. Es kann jedoch auch sein, dass der Vertriebsbereich als Ganzes zu träge dabei war, sich auf neue Wettbewerber, veränderte Marktbedingungen und steigende Kundenanforderungen einzustellen. Ein dediziertes Vertriebsteam aus Jägern erscheint dann als ideale Lösung, um mit all diesen Problemen fertig zu werden. Woher bekommen die Jäger die Interessenten? Welche Daten sind zum Marktpotenzial, Adressdaten und Nutzenversprechen verfügbar?
Denkt man diesen Ansatz jedoch einen Schritt weiter, tauchen einige Fragenstellungen auf, die unbedingt beantwortet werden müssen, soll die Initiative Erfolg haben:
¨ Wie werden die Jäger ihr Vertriebsgebiet geografisch abdecken? Welche Wegezeiten sind
einzukalkulieren?
¨ Wie sehen die Vertriebsziele für sie aus und wie erfolgt deren Auswertung?
¨ Ist das Zielsystem so gestaltet, dass die Jagd nach neuen Kunden auch belohnt wird?
¨ Was wird aus den Interessenten, wenn der Verkauf erfolgreich war und sie zu Bestandskunden
werden?
¨ Werden die Jäger für das gesamt Produktportfolio verantwortlich sein, oder nur für einen Teil
daraus?
¨ Wer wird dieses neue Team führen, ggf. zusätzlich zur Führung der vorhandenen Verkäufer?

Wie Sie sehen gibt es doch etliche Details, um die man sich kümmern muss. Und was nach einer schicken, einfachen Lösung aussah entpuppt sich manchmal nur als Herumdoktern an Symptomen, deren Ursache anderswo im Vertriebsprozess zu sehen ist. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn eine Vertriebsorganisation Schwierigkeiten damit hat, neue Interessenten zu identifizieren und die Vertriebs- und Marketingaktivitäten sauber aufeinander
abzustimmen, werden die Vertrieb-Jäger dieses Problem nicht lösen können! Deshalb ist es aus meinem Verständnis sinnvoller, diese Probleme anzugehen und die Defizite der vorhandenen Vertriebsmitarbeiter zu beseitigen, als mein Heil in neuen Mitarbeitern zu suchen, die ich noch nicht
einmal kenne!
Der Verkaufsprozess als Maßstab für die Bewertung von Verkaufskompetenzen. Beim Verkaufen an Geschäftskunden ist eine Vielzahl unterschiedlicher Kenntnisse und Fertigkeiten gefordert. Entsprechend definiere ich Vertriebskompetenz als die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um verkäuferische Probleme zu lösen. Nach
meiner Erfahrung dient der Verkaufsprozess als bester Leitfaden, um gute Leistungen und natürlich auch
Verbesserungsbereiche zu identifizieren. Die nachfolgende Übersicht zeigt exemplarisch anhand der einzelnen Verkaufsstufen, welche Kompetenzen wann besonders wichtig sind.

Definition von Zielkunden:

Branchenkenntnisse:
¨ Identifiziert jene Branchen, die den besten Markt für unsere Produkte darstellen.
¨ Nutzt verfügbare Informationsquellen zur Ermittlung jener Einflüsse, welche zu Nachfrage nach
unseren Lösungen bei den Zielkunden führen können.

Akquise:
Gewinnung von Interessenten:
¨ Schafft es, eine ausreichende Zahl von Interessenten zu generieren.
¨ Bleibt permanent am Ball und sorgt für einen stetigen Strom neuer Interessenten.

Qualifizierung:
Bedarfsermittlung:
¨ Entdeckt alle technischen, organisatorischen und politischen Faktoren, die den Verkauf
beeinflussen können.
¨ Identifiziert alle Kaufbeeinflusser in der Organisation, bevor er seine Lösung präsentiert.

Umsetzung der Verkaufsstrategie:

Kommunikation mit Kaufbeeinflussern:
¨ Kennt den besten Ansatz, um jede Person innerhalb der Käuferorganisation individuell mit ihren
Themen anzusprechen.
¨ Nutzt alle verfügbaren Mittel und Werkzeuge, um den Verkaufsprozess voranzutreiben.

Verhandeln:
Strategie und Taktik:
¨ Verhandelt auf Basis des Nutzens.
¨ Kann sich anpassen, wenn der Verhandlungspartner seine Strategie endet.
¨ Weiß, wann er nein sagen muss und tut es auch.

Abschluss:
Abschlusssicherheit:
¨ Erzielt gute Abschlussquoten bei angemessenen Deckungsbeiträgen.

Implementierung:
Erste Lieferung:
¨ Koordiniert die Beziehung zwischen dem Kunden und unserem Team, um einen guten Start zu
ermöglichen.
¨ Bringt sich aktiv in die Lösung von Problemen ein.
Betreuung von Bestandskunden:
Ausweitung des Geschäfts:
¨ Ist permanent bemüht, zusätzliches Geschäft zu generieren. Sei es durch Erweiterung
vorhandener Lösung oder Platzierung neuer.
¨ Entwickelt eine langfristige Betreuungsstrategie für jeden Kunden.

Der ideale Verkäufer verfügt über Kompetenzen in allen
genannten Bereichen, welche wie erwähnt jedoch nur einen
Ausschnitt des gesamten Anforderungsspektrums darstellen. Im Normalfall wird jeder aber seine persönlichen Vorlieben und Stärken haben, in denen er besonders reüssiert. Aber eben auch Bereiche, die ihm gar nicht liegen und die er deshalb gerne vermeidet. Daneben gilt es zu beachten, dass zwischen dem gefühlten "etwas mögen" und dem beobachteten "etwas können" ein Unterschied bestehen kann.
Wobei etwas nicht zu mögen aus meiner Sicht keine Entschuldigung dafür darstellen kann, es nicht zu tun! Diesem Dilemma kann man Rechnung tragen, indem neben der Eigensicht des Verkäufers eben auch die Fremdsicht des Vertriebsleiters in die Kompetenzbewertung einbezogen wird.
Dadurch ergibt sich ein Gesamtbild, das Diskrepanzen gegenüber der gewünschten Kompetenzausprägung (Soll-Ist-Vergleich) und der gefühlten Kompetenzausprägung (Ich-Fremd-Bild) aufdeckt. Von hier aus sollten dann die weiteren Maßnahmen zur Kompetenzverbesserung ihren Ausgang nehmen.

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